120 Jahre Rother Sozialdemokratie ist am Sonntag in der Kulturfabrik gefeiert worden. Dabei hielten die Genossen Rückschau, aber blickten auch mutig nach vorne.
„Wir sind Ministerpräsident!“
So sollen es nach der gewonnen Landtagswahl die Sozialdemokraten im ganzen Freistaat und natürlich auch in Roth rufen. Mit diesem Satz brachte Kabarettist Uli Bauer (Double von Christian Ude) beim Jubiläumsfest des Rother SPD-Ortsverbandes die Kulturfabrik zum Kochen.
Bericht im Hilpoltsteiner Kurier vom 17.9.2012
Die Prämisse für die nahe Zukunft gab gleich zu Beginn Roths Ortsvorsitzender Andreas Buckreus aus. Man wolle im Rathaus zurück auf den Chefsessel, verriet er sinngemäß im Interview mit dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Peter Hufe, der als Moderator gewitzt durchs Programm führte, das vom Chor Colours of life musikalisch umrahmt wurde.
Außerdem sollen die Mitgliederzahlen wieder emporklettern. In Roth führen derzeit 125 Genossen ein SPD-Parteibuch. Für den Auftrieb will nicht nur er als junger Orts-, sondern auch Sven Ehrhardt als junger Kreisvorsitzender sorgen. Er war es auch, der vom Rednerpult aus für den Jubelverband ein Geburtstagsständchen anstimmte, in das natürlich sogleich das über 200-köpfige Publikum im Saal lautstark mit einstimmte.
Für beide jungen Herren gab es kurz darauf lobende Worte des Landrats: „Jungs, ihr habt eure Sache bis jetzt ganz gut gemacht.“ Wohl wissend, dass es noch viel anzupacken gilt. Denn „im Hinterzimmer lässt sich keine Wahl gewinnen“, sagte Eckstein. Es gelte im Gespräch mit der Bevölkerung und anderen politischen Gruppierungen sich der Diskussion zu stellen und dabei auch mal anzuecken. „Eine gesunde Streitkultur ist wichtig“, so der Landrat. Ebenso wie das Blicken über den eigenen Tellerrand.
Das wiederum funktioniere in Stadt und Landkreis ganz gut, betonte Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer, der bekanntlich der CSU angehört und sich nicht scheute, dem SPD-Ortsverband seine Glückwünsche auszusprechen.
Weit über den Tellerrand blickte in seiner Festrede der SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Gloser. Vom demografischen Wandel in Deutschland hangelte er sich thematisch schnell bis zum knirschenden europäischen Einigungsprozess vor. Er forderte „Solidarität mit den Kleinverdienern in Griechenland“ und polterte gegen das „ungerechte Steuerabkommen mit der Schweiz“. Es könne nicht sein, dass Reiche mit dem Hang zur Steuerverweigerung von weniger Betuchten forderten, die Gürtel enger zu schnallen. Das Dauerthema Mindestlohn ließ ebenso nicht lange auf sich warten.
Aber auch die globale Strahlkraft deutscher Sozialdemokratie führte er schillernd vor Augen: Bei einem Besuch in Tunesien habe man ihm in Regierungskreisen von Willy Brandt vorgeschwärmt. Daraufhin habe Gloser seinen Gesprächspartnern auch einen Leitsatz der SPD-Ikone unter die Nase gerieben: „Mehr Demokratie wagen!“ Keine zwei Wochen später brach in dem nordafrikanischen Staat der arabische Frühling aus.
An die eigenen Aufbrüche erinnerte die Schriftführerin des SPD-Jubelortsverbandes Ursula Bloos: Das Engagement der jungen Sozialdemokratie in Roth für gemeindliche Arbeitslosenfürsorge, die Geldspende für die Kumpel im Ruhrgebiet, aber auch den Widerstand während der Nazizeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die SPD dann den Stadtrat erst einmal dominiert. Bis 1969 stellte man den Bürgermeister (Heinrich Pürner). Später seien ihm dann Hans Weiß (1984 bis 1998) und Richard Erdmann (1999 bis 2011) auf dem Chefsessel im Rathaus gefolgt. Auf dieses Sitzmöbel will man zurück, ebenso wie der Thron im Maximilianeum erklommen werden soll.
Die rechte Einstimmung dazu gab es mit Uli Bauer, der den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude als SPD-Kandidaten für das höchste Amt im Freistaat köstlich parodierte. „Ich bin der Märchenprinz, mit mir g'winnt's auch in der Provinz“, schmetterte das Double zu eigener Klavierbegleitung in den Saal. Denn „Streibl, Stoiber, Beckstein bricht, aber euer Christian nicht!“ Die „Ozapft-is-Polka“ als Wiesnhit des Kabarettisten konnte bei der Veranstaltung ebenso nicht außen vor bleiben.
Zum Abschluss blieb es dem Musiktrio „Klapperei“ vom SPD-Ortsverband Schwanstetten vorbehalten, mit einem alten Arbeiterlied „die roten Herzen anzurühren“. Ein gemeinsames „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ beendete das Jubiläumsfest. Denn spätestens seit Hannes Waders Interpretation des Liedes weiß man: Danach kann nichts mehr kommen.
Davor allerdings versäumte es Ortsvorsitzender Buckreus natürlich nicht, eine ganze Reihe Genossen für ihr langjähriges Engagement zu ehren. Ausgezeichnet wurden (in Klammern die Zahl der Jahre der Zugehörigkeit zur SPD Roth): Peter Fischer, Heinz-Peter Lehmann und Dieter Leonhard (je 40), Hannelore Heller, Horst Schmitzberger, Christa Schneck, Joachim Waigel und Wilhelm Weigand (je 30), Thomas Wollenzin (25), Ralf Richter, Helmut Marsell, Werner Mundt und Charlotte Vogel (je 20) sowie Petra Höfer, Michael Schwara, Anna Lisa Thomas, Ralf Vervenne und Michael Weigand (je 10).
Von Jürgen Leykamm