98. Politischer Stammtisch:Entmündigung ist abgeschafft!

Zum 98ten Stammtisch des Rother SPD Ortsvereins war diesmal zu Gast Frau Ina Bürkel, Diplom Sozialpädagogin und Leiterin der Betreuungsstelle im Sozialamt der Stadt Nürnberg zum Thema „gesetzliche Betreuung“.

Haben wir nicht zahlreiche Geschichten im Kopf, wo Menschen gegen ihren Willen entmündigt und danach angeblich in krimineller Weise ihrer Besitztümer beraubt werden? Meist sind das Horrorgeschichten, die über nicht-öffentlich-rechtliche Medien konstruiert und verbreitet werden. - Aber, ist es wirklich so schrecklich, was ist die gesetzliche Betreuung und wie sieht (diese) sie tatsächlich aus?

Das Thema Betreuung wird ständig diskutiert und weiterentwickelt, dazu ein Blick in die Historie: Bereits 1794 regelt preußisches Landesrecht die Vormundschaft. Diese wird 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen. Doch die Mühlen mahlten langsam, nachdem 1975 die Psychiatrie-Enquete des Bundestages bemängelt, dass „Gebrechlichkeitspflegschaften“ einer Entmündigung gleichen, wird erst 1992 eine grundlegende Reform vom Vormundschaftsrecht zum modernen Betreuungsrecht geschaffen.

Oftmals wird die gesetzliche Betreuung wegen ihres Terminus auch mit der Pflege eines Menschen verwechselt, hat aber damit nichts zu tun. In der Betreuung sollen rechtliche Angelegenheiten von betreuungsbedürftigen Menschen, die jeder in vielfältiger Weise hat, wie z.B. Verwaltung von Mitgliedschaften, Versicherungen, Anträge, Bankangelegenheiten usw. geregelt werden.

Wann ist eine Betreuung notwendig und wie läuft das Verfahren ab? Dies ist im §1896 BGB festgelegt: „Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. …“ Im Fortgang wird eine medizinische Diagnostik durchgeführt und der Handlungs- und Regelungsbedarf für die zu betreuende Person wird festgestellt. Die Betreuungsstellen der Kommunen und das Betreuungsgericht arbeiten eng zusammen. Das Betreuungsverfahren erfordert einen Bericht, in dem die Gesamtsituation des Betroffenen beschrieben ist und auch ein unabhängiges Gutachten dazu eingeholt wird. Eine Auswahl von möglichen Beteuern wird getroffen. In all diesen Punkten wird auch die Sichtweise des Betroffenen eingeholt. Ganz wichtig ist, dass gegen den freien Willen der betroffenen Person kein Betreuer bestellt werden kann!

Übrigens, eine gesetzliche Betreuung ist ebenfalls nicht nötig, wenn eine Vorsorgevollmacht z.B. für einen Angehörigen besteht. Wer privat eine Vollmacht ausstellt, muss wissen: diese wird durch das Betreuungsgericht nicht kontrolliert. Es solle jeder vorher genau abwägen, ob nicht eine gesetzliche Betreuung besser wäre.

Betreuer kann grundsätzlich jede „natürliche“ Person werden. In vielen Fällen übernehmen Angehörige oder enge Freunde die Betreuung, aber es gibt auch Berufsbetreuer für diese Aufgabe. In jedem Falle ist wichtig, dass die Wünsche der betreuten Person beachtet werden, sofern diese deren Wohl nicht entgegenstehen. Der Betreuer ist verpflichtet, neben einem Vermögensverzeichnis zu Beginn der Betreuung, für manche Rechtsgeschäfte eine Genehmigung einzuholen auch weiterhin Jahresberichte mit Rechnungslegung zu fertigen. All seine Aufwendungen werden mit einem geringen pauschalen Betrag abgegolten. Wenn jemand kein Geld hat, trägt die Kosten die Justizkasse.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Betreuungsverfahren ein komplexer Ablauf ist. Viele Sicherungsmaßnahmen verhindern aber eine Entmündigung, wie es nach altem Recht der Fall war. Möglichkeiten unprofessionell oder betrügerisch zu agieren wurden weitgehend ausgeschlossen, da die Betreuungsgerichte mit den Betreuungsstellen immer ein wachsames Auge auf den ganzen Betreuungsprozess haben. Das Wohl der betreuten Person steht im Mittelpunkt. Sie kann sich jederzeit im ganzen Verfahren beschweren was von den Autoritäten sehr ernst genommen und verfolgt wird.

Wer sich weiter umfassend informieren möchte, findet im Verlag C.H.Beck (das Buch) die Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter: durch Vollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung“, herausgegeben vom bayerischen Staatsministerium der Justiz (und für Verbraucherschutz). Die Broschüre ist im Internet kostenfrei verfügbar, im Buchhandel ist sie für 5,50€ zu erwerben.